Die Rischon WG
Erev Tov! - Guten Abend!
So liebe Freunde, ich
sitze gerade in Rischon in der Nähe vom alten Busbahnhof in einem Park
und genieße die Sonne, hoffentlich hol ich mir hier keinen Sonnenbrand. Wie ist
das Wetter in Deutschland denn so?
Also da ich in Rischon freies W-Lan habe dachte ich mir ich
könnte hier mal wieder einen Blogeintrag machen, das wird auch öfter passieren
wenn wir in unserer Wohnung endlich Internet haben, aber das ist typisch hier,
die Israelis denken sich wahrscheinlich schon „die Deutschen machen aber auch
eine Hektik“.
In meinem letzten Blogeintrag bin ich bei unserem letzten
Tag in Haifa stehen geblieben, danach ging es für Daniel, David, Max und mich
nach Rischon Lezion in unsere WG. Mit im Bus saßen auch noch andere Volontäre
die in der Nähe von Rischon, also in Rohovot oder in Kfar Ofarim untergebracht
wurden. Die Volontäre aus Kfar Ofarim wurden von ihrer Chefin und einer anderen
Mitarbeiterin namens Aviva begleitet. Aviva ging nach spätestens 10 Minuten
jedem im Bus auf die Nerven . Sie flitzte auf der ungefähr einstündigen
Busfahrt ununterbrochen durch den Gang, schoß schonmal Fotos von ein ihren
Volontären, versuchte ihnen die Augenbrauen zu zupfen und schien besonders auf
Laurenz` blonde Haare zu stehen. Spätestens da hab ich mir überlegt mich
schlafend zu stellen und froh zu sein, dass ich dunkle Haare hab und nicht in
Kfar Ofarim untergebracht bin. Und auch Daniel schien relativ genervt zu
sein, denn er grummelte neben mir „ kann mal wer die Olle abstellen?“ :D
Naja zum Glück wurden wir als erstes abgesetzt und Iris
zeigte uns unsere Wohnung. Die Wohnung an sich ist schon ganz nett nur die
erste Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Während Iris mit Max noch
etwas einkaufen ging versuchten wir die Klimaanlage anzumachen um etwas frische
Luft zubekommen und uns abzukühlen, doch leider war diese kaputt und auch die
Versuche ins Internet zu gelangen schlugen fehl. Der Router ist wohl kaputt und
deswegen müssen wir uns erstmal gedulden. Als wir die Wohnung weiter inspizierten ist
uns noch aufgefallen dass wir keine Klobrille hatten, in vier von sechs Räumen
kein Licht ging und kein einziger Schrank zu finden war, wo wir unsere
Anziehsachen rein tun könnten. Also heißt es erstmal aus dem Koffer oder vom
Boden leben. Das hat die Stimmung
zunächst ein wenig gedrückt und wir beschloßen uns ein bisschen in unserer
neuen Nachbarschaft umzugucken. Diese besteht größten Teils aus russischen
Juden, einer kleinen jüdisch-orthodoxen Siedlung und äthiopischen Juden. Zum
Glück kann Daniel fließend russisch, da fällt die Verständigung viel leichter wenn
man ihn dabei hat.
Als wir dann wieder in unsere Wohnung kamen haben wir dann
unseren finnischen Mitbewohner Akki kennen gelernt. Er ist schon 37 und der
erste Eindruck war in Ordnung. Aber das hielt nicht lange an. Akki ist ein sehr
streng religiöser Mensch. Ich sag jetzt Mensch weil eigentlich keiner so genau
weiß was er überhaupt ist. Fest steht dass er an einen Mischmasch aus
Christentum und Judentum glaubt und von Gott hier her berufen wurde, er
deswegen seine Freundin, mit der er 5 Jahre zusammen gewesen ist und mit der
schon Kinder in Planung gewesen sind, verlassen hat um in Israel "Gott zu dienen". Und Jesus findet er auch ganz toll. Selbst
unsere jüdischen Mitarbeiter in unserer Einrichtung wissen nicht wirklich an
was er glaubt und hatten deswegen schon einige Diskussionen mit ihm, doch auch
nach diesen Diskussionen wusste niemand genau was er jetzt überhaupt ist.
Beispiel: Akki kommt nach Hause und sieht dass der Wasserkocher
angeht (scheint irgendwie ein Kurzschluß zu sein) also sagt er zu uns „ Look
what jesus did! He switched the cooker on. For me!“ Man kann mit Akki nicht reden ohne dass er
irgendwann anfängt von Jesus oder Gott zu erzählen.
Anfangs war das noch ganz lustig aber mit der Zeit nur noch
nervig. Noch dazu ist er kein bisschen tolerant und hat uns erklärt dass der
Koran „shit“ ist. Und als er im Bus jemanden dabei belauscht hat wie er einen
Witz über Jesus gemacht hat, war er wohl kurz davor ihm an den Kragen zu gehen
dachte sich dann aber „What would Jesus do?“ und hat sich zusammen gerissen.
Wie gesagt, sehr tolerant der Akki :)
Doch vor ein paar Tagen hatten wir eine Diskussion über
seine Regeln die er in der Wohnung aufgestellt hatte, danach hatte er wohl das
Gefühl wir würden aus der WG ein Freudenhaus machen und verließ uns am nächsten
Tag Richtung Jerusalem. Da ist er wohl auch besser aufgehoben. Zur Info, wir
haben nur gefragt ob es ok wär, wenn uns unsere Freundinnen hier besuchen
würden, da ist er richtig laut geworden der gute Akki und war für keinen
Kompromiss zu haben. Mit ihm zu diskutieren war eh nicht das Gelbe vom Ei, da
er nie aufgehört hat zu reden und dachte man würde ihn attackieren. Dabei war er der einzige der aggressiv
geworden ist. Naja nun ist er ja weg :D
Der andere Mitbewohner ist Koreaner und heißt Yan, er ist
auch wegen Jesus hier aber ist ein richtig netter Kerl und wir verstehen uns
alle gut mit ihm und haben schon einen gemeinsamen Putzplan.
Mitlerweile haben wir
auch eine Umräumaktion gestartet und leben uns immer mehr ein und wenn wir
Glück haben bekommen wir nach Sukkot auch Schränke und in allen Räumen Licht. Das
wird schon alles.
Ansonsten macht die Arbeit in der Einrichtung richtig Spaß
und die Mitarbeiter sind auch nett. Man merkt dass viele Leute hier im ersten Moment
etwas harsch rüberkommen können aber wenn man sie näher kennen lernt sind sie
richtig nett, reden mit dir und sind sehr bemüht einem zu helfen. Das ist mir ehrlich gesagt
auch lieber als aufgesetzte Höflichkeit. Was man auch immer mehr merkt ist,
dass Israel einfach nur laut ist. :D Man hat manchmal das Gefühl wenn sich hier
zwei Israelis übers Wetter unterhalten, kann man das in der Art und Weise mit
zwei Deutschen gleichsetzen die sich laut und ausgiebig streiten. :D
Aber zurück zur Arbeit, die Einrichtung ist in 4 Häuser
eingeteilt die chaverim unterschiedlicher Ausprägungen und Formen beherbergen.
Im Moment helfen wir noch überall aus, das heißt wir arbeiten an einem Tag in
dem unteren Haus (Beit Ela) am nächsten Tag im mittleren Haus (Beit Aviv) und
am nächsten Tag im oberen Haus (Beit Almoq). Das ist eigentlich ganz gut da die
Arbeit in manchen Häusern anstrengender ist als in anderen, so hat man mal
einen Tag einen relativ entspannten Job und dann mal einen Tag einen etwas
stressigeren. Aber bald werden wir wohl fest auf ein Haus eingeteilt. Der Tag für die chaverim sieht so aus,
dass sie morgens zur Arbeit gebracht werden, wo sie Zahnseide in die dafür vorgesehenen
Dosen einfädeln (so hab ich das zumindest verstanden), danach kommen sie mit
einem Reisebus zurück zur Einrichtung wo erstmal geduscht wird und Freizeit
angesagt ist, an manchen Tagen kommt ein Musiker der mit ihnen musiziert,
manchmal wird gezeichnet oder gepuzzelt oder einfach nur ausgeruht. Nebenbei
läuft die ganze Zeit der Fernseher, entweder ein Musiksender oder irgendwelche
psycho Thriller. Manche Chaverim können sich selber duschen, anderen muss man
sagen was sie machen müssen und wieder andere können sich gar nicht alleine
duschen. Da muss man dann richtig mithelfen. Man muss nur immer dabei bleiben damit keiner auf die Idee kommt
shampoo zu trinken oder anderen Quatsch zu machen. Dann stellen wir Abendessen (anuchat
erev) zusammen, putzen die Zähne,
waschen ab und dann ist Bettruhe, das kann aber jeder für sich entscheiden
wann er ins Bett möchte, es muss nur Ruhe herrschen und das Licht muss
ausbleiben.. Der Job besteht viel aus aufpassen, denn es gibt ein paar Experten
die sich alles in den Mund stecken, in geschloßenen Räumen ihr Geschäft
verrichten, irgendwann anfangen den Kopf mit voller Wucht gegen die Wand oder
den Boden zu hauen oder einfach in einer Tour über mehrere Stunden hinweg schreien.
Wenn man was sagt hören sie kurz auf und fangen dann wieder an. Das kann schon
ziemlich auf die Nerven gehen.
Das wars jetzt erstmal für heute, ich hoffe der Teil über
die Arbeit ist nicht zugequetscht ;)
Letzte Woche war übrigens das richtige Rosh HaShana, das jüdische
Naujahr, wir schreiben jetzt das Jahr 5773 nach dem jüdischen Kalender ;)
Fotos kann ich leider nicht hochladen, die kommen dann die Tage!
Shana tova! – Frohes Neues!